Geschichten und Songs aus dem Nähkästchen

Jan Plewka ist einer der facettenreichsten deutschen Musiker und Sänger. Mit seiner Band „Selig“ gehört er seit Mitte der 90er Jahre zum Besten und Erfolgreichsten, was die deutschsprachige Musikszene zu bieten hat. Mit dem Programm „Between the Bars“ hält er beim Schleswig-Holstein Musik Festival nun Rückschau, gemeinsam mit Marco Schmedtje, seinem Freund und langjährigen musikalischen Weggefährten, der ihn kongenial an der Gitarre begleitet.

Jan-Plewka und Marco Schmedtje. Foto Sven Sindt

Die meisten Musikfans kennen Sie als Sänger der Hamburger Rock-Band „Selig“. Zum SHMF kommen Sie nun im Duo-Format. Was erwartet die Zuschauer?

Marco Schmedtje und ich bringen einen Sack all unserer Lieder mit, die wir mal zusammen gespielt haben. Wir haben ja viel Theatermusik gemacht, haben inszenierte Konzertabende gegeben als Hommage an Rio Reiser oder „Simon & Garfunkel“. Jeder hat eigene Platten herausgebracht. Da kommen so über 100 Lieder zusammen. Aus einem Jutebeutel lassen wir dann Songs vom Publikum ziehen, sodass ein kruder Mix herauskommen kann aus Schnulzen und Hausbesetzer-Songs. Insgesamt wird es ein lauschiger Abend mit Liedern zum Flirten und Schmunzeln – alles rein akustisch mit zwei Stimmen und einer Gitarre.

Was tun Sie, wenn sich das Publikum Songs von „Selig“ wünscht?

Das ist ein ganz anderer Kosmos. „Selig“ ist eine Welt für sich. Die passt an dem Abend gar nicht so gut rein.

Ihr Programm heißt „Between the Bars“. Wofür steht der Titel?

Wir waren und sind sehr trinkfreudig und zwischen den Kneipenaufenthalten haben wir immer musiziert. Außerdem nennt man die Griffbünde am Hals der Gitarre Bars – das ist eine schöne Doppeldeutigkeit und Metapher, denn jetzt betrinken wir uns öffentlich und erzählen Geschichten aus dem Nähkästchen (lacht).

Wie ist es zur Zusammenarbeit mit dem SHMF gekommen?

Wir wurden angefragt und haben mit großer Freude zugesagt. Ich hatte ja schon einige Berührungspunkte mit der Klassik als Papageno in einer modernen Inszenierung der „Zauberflöte“; ich habe auch schon „Die Winterreise“ interpretiert. Überhaupt höre ich zur Entspannung sehr gerne Klassik von Chopin bis Bach. Vor allem aber ist meine Mutter ein sehr großer SHMF-Fan und unheimlich stolz, dass ihr Sohn dort jetzt auftritt.

Marco Schmedtje ist ein langjähriger musikalischer Weggefährte. Was verbindet Sie beide, was schätzen Sie an ihm?

Marco ist der beste Kumpel, den man haben kann, und immer sehr witzig. Wenn wir unterwegs sind, passieren immer wirklich verrückte Geschichten, weil wir sehr offen und sehr charmant miteinander umgehen.

Vielen Jahre lang musste man deutschsprachige Songs im Radio mit der Lupe suchen. Sie waren schon in den 90er Jahren ein Vorreiter für deutsche Musik. Mit Johannes Oerding, Bosse oder Lea hat sich das heute deutlich geändert. Freut Sie diese Entwicklung?

Die deutsche Musikszene ist wie ein bunter Blumenstrauß. Wir haben schon damals dafür gekämpft, Gefühle in deutsch auszudrücken. Heute gibt es immer noch so viele tolle deutschsprachige Interpreten, die nicht im Radio stattfinden; es wäre toll für diese eine Plattform zu haben, auf der sie Gehör finden.

In Wöhrden treten Sie auf dem Gelände eines Bio Gemüsehofes auf. Seit einigen Jahren setzen Sie sich für Nachhaltigkeit und Umweltschutz ein. Ist das ein Zufall oder durften Sie sich die Location aussuchen?

Den Ort hat man ausgesucht, weil er wahrscheinlich am besten zu unserer Musik und Stimmung passt.

Sehen Sie sich als Person der Öffentlichkeit auch in der Verantwortung, auf die Notwendigkeit von Umwelt- und Klimaschutz hinzuweisen?

Nicht nur als öffentliche Person, sondern auch als Privatmann. Meine beiden Töchter haben mich mit ihrem Engagement bei Fridays for Future angesteckt. Ich wünsche mir einen allgemeinen gesellschaftlichen Wandel. Weil es uns in Deutschland lange Zeit so fantastisch ging, ist eine gewisse Trägheit entstanden. Wenn ich mir die momentane Flutkatastrophe ansehe, wird klar, dass noch einiges auf uns zukommt. Ein Umdenken müsste eigentlich noch viel schneller geschehen. Ich bin gespannt und habe Angst, was noch alles passiert.

Lange Zeit waren Auftritte vor Publikum nicht möglich. Wie sehr freuen Sie sich, wieder vor richtigen Menschen aufzutreten?

Das ist ein großer Segen und man merkt richtig, wie es dem Publikum und auch der Band gefehlt hat. Jeder Moment, der da passiert, ist etwas Heiliges. Deshalb sind die Konzerte auch sehr intensiv.

Sa., 7. August, 20 Uhr: Ancora Marina Neustadt 
So., 8. August, 16:30 und 19 Uhr: Westhof Wöhrden/Friedrichsgabekoog
Do., 12. August, 19 Uhr: Open Air Schlossbühne Wotersen