Glanz und Macht der Wittelsbacher

Wittelsbacher Schloss in Friedberg. © Stadt Friedberg – Foto E. Diehl

Über sechs Jahrhunderte lang spielten die Wittelsbacher auf der großen Bühne Europas eine wichtige Rolle. Doch ihr Aufstieg begann im altbayrischen Landkreis Aichach-Friedberg nahe Augsburg. Was liegt also näher, als dort die diesjährige Bayerische Landesausstellung unter dem Titel „Stadt befreit. Wittelsbacher Gründerstädte“ zu zeigen, die sich der Herrscherdynastie widmet.

Die Wittelsbacher, die bis 1918 in Bayern herrschten, begannen ihre Karriere aufgrund eines großen Irrtums. Den ersten Wittelsbacher machte der Stauferkaiser Friedrich I. „Barbarossa“ 1180 vor allem deshalb zum Herzog von Bayern, weil er den später „der Große“ genannten Otto I. für einen kleinen, schwachen und für ihn ungefährlichen Landesherrn hielt. Dieser legendenumwobene Kaiser sollte sich mit seiner Einschätzung mächtig getäuscht haben: Denn die Wittelsbacher heirateten geschickt und erbten günstig, und wo es terminlich nicht ganz passte, halfen die Wittelsbacher schon mal mit Gewalt nach. „Sex and Crime“ war schon im Mittelalter gang und gäbe. Schritt für Schritt erweiterten die Wittelsbacher vom 12. bis ins 14. Jahrhundert zielstrebig, zäh und zupackend ihre Hausmacht und ihr Territorium. Zur Sicherung der Macht eines Landesherrn gehörte es, nicht nur Schlachten zu schlagen, sondern auch ummauerte Städte und befestigte Marktorte zu gründen. Ingolstadt, Straubing und Landshut sind zum Beispiel wittelsbachische Stadtgründungen. Dies zeigt die Bayerische Landesausstellung noch bis zum 8. November im Landkreis Aichach-Friedberg, wo die Herrscherdynastie – benannten nach dem heutigen Aichacher Stadtteil Oberwittelsbach – ihre Stammburg hatte. Die Schau befasst sich mit noch heute aktuellen Themen wie Landflucht, urbanes Leben, Stadtgründungen und Heimat.

Im heutigen „Wittelsbacher Land“ zwischen Augsburg und München nahm der Aufstieg der gleichnamigen Familie zur späteren europäischen Königsdynastie seinen Anfang. Das ist eindrucksvoll im prächtig sanierten Wittelsbacher Schloss in Friedberg zu erleben anhand von rund 150 vielschichtigen und vielsagenden Objekten aus sieben Ländern. Man sieht Schwerter und Ritterrüstungen, wertvolle Kirchen-Utensilien, Bildhauereien oder filigrane Gemälde, Heiligenfiguren und sogar einen Latrinen-Sitz. Der hat deswegen seinen Eingang ins ehrwürdige Schloss gefunden, weil er typisch ist für städtisches Leben im Mittelalter. Die Bauern auf dem Lande hatten solche Annehmlichkeiten nicht. Doch der Abort-Sitz diente nicht nur als Toilette, sie war Müllgrube für alte Schuhe, Lederreste, Knochen, Essensreste und noch vieles mehr. Daraus konnte man Erkenntnisse über Vermögens-, Gesundheitsstand und Essgewohnheiten gewinnen, aber sie sollte nicht in der Nähe einer Wasserleitung sein, erfahren die Besucher. Ein Video, das von der Gegenwart in das Jahr 1180 zurückgeht, bildet im letzten Raum einen interessanten Abschluss dieses Teils der Ausstellung.

Im frisch renovierten Friedberger Schloss stehen zahlreiche Originalobjekte und historische Exponate aus dem Mittelalter im Mittelpunkt. Foto Guballa

Weiter geht es im 20 Kilometer entfernten Aichach. Hier stießen die Ausstellungsmacher eher durch Zufall auf das alte Feuerwehrhaus – und waren begeistert. Die leer stehende, große Halle eignete sich aus ihrer Sicht ideal für multimediale Inszenierungen. Spielerisches Erkennen in virtuellen Bildern mit echten Schauspielern führt zu historischer Erkenntnis.

Im FeuerHaus in Aichach entstehen dank multimedialer Inszenierung mittelalterliche Stadtwelten. Foto Guballa

Zwei Städte, eine Ausstellung – ein ungewöhnliches Konzept. Doch Friedberg und Aichach sind per Bahn und Auto nur eine Viertelstunde voneinander entfernt. Die gut 20 Kilometer lassen sich auch mit dem Fahrrad oder mit dem E-Bike locker bewältigen. Beide Städte lohnen den Besuch und gehörten, da sie typische Städtegründungen der Wittelsbacher sind mit heute noch sichtbaren Spuren, mit zum Ausstellungskonzept: So ergibt sich – zusammen mit allerlei Biergärten – ein Ausflug in die Geschichte zum Wandern oder Radeln gleich mit. Auch die Mauerreste der namensgebenden Stammburg der Wittelsbacher in Oberwittelsbach sowie das „Sisi-Schloss“ im benachbarten Unterwittelsbach sind Stationen dieser Spurensuche.

Sisi-Schloss in Unterwittelsbach. Foto Guballa

Die Bayerische Landesausstellung 2020 „Stadt befreit. Wittelsbacher Gründerstädte“ ist noch bis 8. November täglich von 9 bis 18 Uhr im Wittelsbacher Schloss in Friedberg und im Feuerhaus in Aichach geöffnet. Friedberg und Aichach sind per Bahn und Auto nur eine Viertelstunde voneinander entfernt. Die gut 20 Kilometer lassen sich mit dem Rad oder mit dem E-Bike locker bewältigen. Infos und Tickets unter www.wittelsbacherland.de.