Bernstein-Award Preisträger Stathis Karapanos: „Musik verlangt nichts von einem“

Das Coronavirus bringt in diesem Jahr Vieles durcheinander – auch die Verleihung des renommierten Leonard-Bernstein-Awards des Schleswig-Holstein Musik Festivals (SHMF) an herausragende junge Künstler des Klassikbetriebes. Eigentlich sollte am 14. August der 23 Jahre alte Flötist Stathis Karapanos den mit 10 000 Euro dotierten Preis der Sparkassen-Finanzgruppe im großen Rahmen in der Lübecker MuK erhalten; stattdessen wird die Auszeichnung nun im kleinen Kreis in der Rendsburger Christkirche übergeben und ein Preisträgerporträt gedreht, das ab dem 28. August auf www.shmf.de zu sehen ist.

Bernstein-Award Preisträger Stathis Karapanos. Foto Miroslava Dermendjieva

Herr Karapanos, die Flöte ist eines der ältesten Musikinstrumente der Menschheit – schon in der Steinzeit wurden Flöteninstrumente gespielt. Ärgert es Sie, dass die Flöte heute nicht den gleichen Stellenwert hat wie andere Instrumente?

Nein, das ärgert mich nicht, denn in den letzten Jahren ist viel passiert und die Flöte in all ihren Variationen hat sich mittlerweile als Konzertinstrument etabliert. Daher bin ich nicht frustriert, zumal ich natürlich an Orten auftrete, wo das Instrument geschätzt wird. Was mich allerdings frustriert, ist, dass viele Schüler nicht wissen, wie schön die Flöte klingen kann. Ich habe selbst in der Schule erfahren müssen, wie grausam Musikunterricht sein kann. Die Begeisterung, Musik zu vermitteln, hängt sehr vom Lehrer ab.

Andere Jungs träumen davon, später einmal Fußballer zu werden – für den kleinen Stathis stand schon mit fünf Jahren fest, Flöten-Solist zu werden. Sie schrieben sich früh am Nationalen Konservatorium in Athen ein und wurden mit 13 Jahren in die Nationale Musikschule in Sofia aufgenommen.Was fasziniert Sie bis heute an diesem Instrument?

Ehrlich gesagt, erinnere ich mich nicht mehr genau an den Grund, der ausschlaggebend war, warum ich schon in so jungen Jahren Flötist werden wollte. Ich hatte aber irgendwie eine ganz genaue Vorstellung davon, wie es ist, Flöte zu spielen und ich entdecke bis heute immer wieder neue Facetten. Für mich ist die Flöte ein sehr emotionales Instrument, ich kann mit ihr mein ganzes Herz und Gefühl in die Musik legen. Das große Ganze für mich ist aber die Musik, die mich fasziniert – das Instrument ist dabei nur ein Mittel zum Zweck. Musik ist ein ganz großer Teil von mir. Musik hat keine Grenzen, sie verlangt nichts von einem – nur, dass man zuhört.

Hätte es denn auch ein anderes Instrument werden können für eine Solisten-Karriere?

Ich spiele auch ganz gut Klavier und Gitarre und wollte immer Kontrabass lernen. Aber für eine Karriere hätte das nicht gereicht.

»Stathis Karapanos ist nicht nur ein technisch brillanter Flötist, sondern verfügt auch über die Gabe, Musik intuitiv zu erspüren und sie dem Publikum mit einer beeindruckenden Ausstrahlung und hohen Emotionalität zu vermitteln. Mit ihm zeichnen wir außerdem einen jungen Europäer aus, dessen musikalische Karriere in Griechenland begann und ihn über Bulgarien nach Deutschland und Frankreich führte. Wieder einmal zeigt sich, dass Musik keine Grenzen kennt und eine verbindende Kraft hat – ganz wie es der Namensgeber des Awards und Mitbegründer des SHMF, Leonard Bernstein, vorgelebt hat.«

SHMF-Intendant und LBA-Jurymitglied Dr. Christian Kuhnt

Viele Kritiker schwärmen immer wieder von dem Zauber, den Sie der Flöte zu entlocken wissen. Sie verfügten über die Gabe, Musik intuitiv zu erspüren und sie dem Publikum mit einer beeindruckenden Ausstrahlung und hohen Emotionalität zu vermitteln, hat SHMF Intendant Christian Kuhnt anlässlich der Bekanntgabe des Preises gesagt. Wie gehen Sie mit soviel Lob um?

Es ehrt mich natürlich, wenn jemand so über mein Spiel denkt. Aber ich lasse mich nicht davon beeinflussen. Ich lese eine Kritik und vergesse sie dann gleich wieder – egal, ob sie gut oder schlecht ist. Aber natürlich entwickle ich Dinge, die gut funktionieren, weiter. Und wenn etwas nicht funktioniert, dann muss ich es verändern.

In diesem Jahr bekommen Sie als erster Flötist den Leonard Bernstein Award. Wie wichtig ist Ihnen diese Auszeichnung?

Ich kann es immer noch nicht glauben. Allein die Tatsache, dass ich einen Preis bekomme, den vor mir auch Lang Lang, Martin Grubinger und Lisa Batiashvili erhalten haben, ist ein Gedanke, an den ich mich noch gewöhnen muss. Das sind großartige Künstler und Vorbilder, mit denen ich mich nie vergleichen würde. Daher freue ich mich sehr über den Preis und darüber, dass das Festival die Preisverleihung trotz Corona-Beschränkungen ermöglicht.

Anders als in den vergangenen Jahren werden Sie nicht mit einem großen Orchester auf der Bühne stehen können, sondern spielen im intimen Rahmen der Christuskirche in Rendsburg. Bedauern Sie das?

Ich finde es sehr schön, dass das Festival durch den „Sommer der Möglichkeiten“ einen Rahmen für uns Künstler geschaffen hat, trotz der schwierigen Situation Konzerte spielen zu können. Wenn ich vor Publikum spiele, ist es für mich nicht wichtig, ob zwei oder 2000 Menschen da sind. Denn ich spiele immer mit ganzem Herzen.

Ihr Mentor Christoph Eschenbach wird Sie am Klavier begleiten. Was verbindet Sie beide?

Christoph Eschenbach ist ein großes und wichtiges Vorbild für mich. Seit Kindesbeinen kenne ich seine sämtlichen Aufnahmen. Als ich ihn vor ein paar Jahren kennengelernt habe, konnte ich es kaum glauben. Ich habe damals in meinem ersten Jahr in Karlsruhe studiert und durfte ihm in Baden-Baden vorspielen. Ich hatte ein großes Programm vorbereitet und während des zweiten Satzes des Mozart-Konzerts hat er sich ans Klavier gesetzt und wir haben zusammen gespielt. Danach haben wir uns intensiv über Musik und andere Dinge unterhalten. Seitdem gibt es eine Verbindung, die jetzt gekrönt wird durch das gemeinsame Konzert im Rahmen der Bernstein Award Verleihung.

Wie haben Sie die vergangenen Monate des kulturellen Corona-Lockdown erlebt?

Wie viele Künstler musste ich Konzerte absagen und lernen, mit der Pandemie umzugehen. Ich hatte eine große Tournee mit den Bamberger Sinfonikern durch Polen geplant, die dem Lockdown zum Opfer gefallen ist. Aber ich konnte einige kleine Projekte realisieren, zum Beispiel ein Konzert mit Matthias Goerne in Wittenberg, das von ARTE aufgezeichnet wurde, und eine Live-Aufnahme in den Teldec Studios in Berlin mit einem griechischen Pianisten. Außerdem gab es ein paar kleine Live-Auftritte in Griechenland. Daneben habe ich viel am Klavier geübt und mir neues Repertoire für die Flöte erarbeitet, wozu ich sonst auch selten komme.

Zur Person:

Stathis Karapanos wurde 1996 in Athen als Sohn einer Balletttänzerin und eines Bankiers geboren. Im Alter von sechs Jahren war er Schüler am National Conservatory in Athen und erhielt seinen ersten Flötenunterricht. Mit 13 wurde er an der National School of Music von Sofia »NMU Lyubomir Pipkov« aufgenommen und begann sein Studium. Es folgten Meisterkurse und erste Auftritte als Solist mit professionellen Orchestern. 2012 nahm Karapanos sein Studium an der Hochschule für Musik Karlsruhe auf und schloss das Studium 2018 mit Auszeichnung ab. Seine Stelle als Soloflötist des Athens State Symphony Orchestra, die ihm 2017 angetragen wurde, gab Karapanos 2018 wieder auf, um sein Studium bei Philippe Bernold am Conservatoire de Paris fortzusetzen.