Chinoiserien: Okzident trifft Orient

Bereits im 18. Jahrhundert gab es in Europa eine große Begeisterung für China, das für Europäer ein mystischer und weit entfernter, fast unerreichbarer Ort war. Das Interesse am Exotismus war enorm und die Vorstellung eines friedlichen Riesenreiches, dessen Bevölkerung literarisch und philosophisch gebildet war, faszinierte die Menschen.

In ihrem aktuellen Programm „Chinoiserien“ spürt das Ensemble „Hamburger Ratsmusik“ zusammen mit der chinesischen Perkussionistin Lin Chen dieser Faszination am Montag, den 7. August im Meldorfer Dom nach. Gambistin Simone Eckert von der Hamburger Ratsmusik verrät mehr über das Programm.

Was erwartet das Publikum bei Ihrer Hommage an das Reich der Mitte und wie ist die Idee zu diesem Programm entstanden?

In Europa gab es im 18. Jahrhundert ein großes Interesse an der Hochkultur dieses weit entfernten Landes; auch die Komponisten dieser Zeit ließen sich von dieser Begeisterung anstecken. Gleichzeitig sind wir bei unseren Recherchen darauf gestoßen, dass China in dieser Zeit zwar ziemlich abgeriegelt war, aber der chinesische Kaiser durch missionierende Jesuiten mit europäischer Musik in Kontakt kam und sich sehr dafür begeisterte. In seinem Palast gab es zum Beispiel eine große Sammlung an Cembali, die leider im Laufe der Jahrhunderte durch einen Brand zerstört wurde. Es gab in China also wirklich ein großes Bewusstsein und eine Begeisterung für europäische Musik. Dieser Schmelzpunkt von West und Ost hat mich interessiert, um dieses Programm zu entwerfen.

Wie ist die Zusammenarbeit mit der chinesischen Musikerin Lin Chen entstanden?

Wir spielen ein Stück, bei dem explizit Percussion erwünscht ist, was sehr ungewöhnlich ist bei unserem Instrumentarium. Es sind zwei Stimmen notiert, die Schlagwerk erfordern. Das hat mich dazu veranlasst, Kontakt zu Lin Chen aufzunehmen, weil ich den Gedanken spannend fand, nicht nur chinesische und europäische Musik in Zusammenhang zu bringen, sondern auch eine chinesische Musikerin mit uns europäischen Musikern in einem Ensemble zu vereinen. Und wir sind sehr glücklich darüber, weil sie eine fantastische Musikerin ist, die nicht nur ab dem Alter von fünf Jahren Unterricht am chinesischen Hackbrett „Yang-chin“ erhielt, sondern auch in Ballett sowie Percussions. Seit 2006 lebt sie in Deutschland, wo sie zunächst an der Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar studierte und in Hamburg ihr Studium abschloss.

Es wird für das Publikum also auch ein optisches Erlebnis?!

Wir, als die Hamburger Ratsmusik-Stammbesetzung, bringen wieder unser Instrumentarium – Viola da Gamba, Laute und Cembalo – mit, das schon im 17. und 18. Jahrhundert vor allem an den Fürsten- und Königshäusern wegen ihres delikaten Klangs so beliebt war. Lin Chen bringt chinesische Trommeln und kleine Schlagzeuge mit, sie benutzt eine Fingerzimbel aus der asiatischen Musik und spielt chinesisches Hackbrett. Interessanterweise findet sich das auch in der europäischen Musik wieder, weil diese Saiteninstrumente ihren eigentlichen Ursprung vor 400 bis 500 Jahren in Ungarn hatten, von wo sie sich über die Seidenstraße bis nach China ausgebreitet haben. Das ist ein weiterer Anknüpfungspunkt unseres Programms zwischen Ost und West.

Was kommt musikalisch auf die Besucher zu?

Musikalisch liegt der Schwerpunkt auf französischen Kompositionen aus dem 17. und 18. Jahrhundert. Vor allem Komponisten wie François Couperin, André Dancian Philidor oder Marin Marais widmeten ihren Werken chinesische Titel.

Man weiß heute, dass der Sonnenkönig Ludwig, der 14. chinesische Kultur liebte und im Park von Versailles eine chinesische Pagode aus Porzellan bauen lassen wollte. Weil Porzellan aber so unbezahlbar und kostbar war, gab es nur eine Miniaturausgabe in Fayencen. Diese Chinoiserien waren die an chinesischen Vorbildern orientierte Richtung der europäischen Kunst und stillten den Hunger nach Exotischem und Fremdem.

Ergänzt wird das Konzertprogramm mit der zeitgenössischen Adaption von Couperins „Le Chinois“ des Hamburger Komponisten Karsten Gundermann, ein sehr interessanter Zeitgenosse, der mehrere Jahre in Peking gelebt und dort Musik studiert hat. Er ist der einzige europäische Komponist, der jemals eine Peking-Oper geschrieben hat, die noch heute dort aufgeführt wird. Dann wird eine Improvisation namens „Drachentanz“ von Lin Chen erklingen und wir spielen zusammen alte chinesische Volkslieder in dieser typischen pentatonischen Skala, die für uns fremd klingt, aber doch auch sehr berührt.