Albrecht Mayer: „Die Oboe hat mein Selbstvertrauen gestärkt“

Wenn man an die Oboe denkt, darf er nicht fehlen: Albrecht Mayer. Zuhörer und Kritiker geraten gleichermaßen ins Schwärmen. Da ist von „Götterfunken“ die Rede, von der „wundersamen Oboe“ oder davon, dass Mayer die Oboe „zum Verführungsinstrument erhebt“. Andreas Guballa hat mit dem Solo-Oboisten der Berliner Philharmoniker gesprochen, der mit vier Konzerten zum Schleswig-Holstein Musik Festival kommt.

Foto Harald Hoffmann/ DG

Mozart hat Sie schon Ihr ganzes Leben begleitet, aber Sie haben erst vor zwei Jahren Ihr erstes reines Mozart-Album veröffentlicht. Warum hat das so lange gedauert und was verbindet Sie mit dem Komponisten?

Mozart ist vielleicht der verrückteste und zwiespältigste Komponist, den es gibt. Selbst wer kein Klassik-Fan ist, versteht seine Musik, und auch Kühe sollen bessere Milch geben, wenn im Stall Mozart läuft. Aber obwohl ich die meisten der Stücke auf diesem Album schon seit meiner frühen Jugend in mir trage, fühlte ich mich doch erst jetzt wirklich reif für ihre absolute Gefühlstiefe. Ich habe mich mein ganzes Leben mit Mozart und der Analyse seiner Werke beschäftigt und entdecke noch immer unglaubliche Schätze. Deshalb habe ich so lange gewartet, ein reines Mozart-Album zu machen, weil ich eigentlich immer noch mehr wissen wollte.

Das scheint auch dem Publikum zu gefallen. Das Album hat den Opus Klassik gewonnen, hat es auf Platz 7 der deutschen Pop Charts geschafft und führte zwei Monate lang in Folge die deutschen Klassik-Charts an. Haben Sie mit dem Erfolg gerechnet?

Natürlich kann man den Erfolg eines Albums nicht vorhersagen. Aber Mozart verkauft sich natürlich besser als die schönsten Schostakowitsch-Sonatinen auf Blockflöte und Tamburin. Ich mache gern Konzeptalben und lege besonderen Wert auf die Zusammenstellung der Werke und deren Dramaturgie.

Zum SHMF kommen Sie mit drei musikalischen Freunden. Worauf darf das Publikum sich freuen?

Ich habe das große Glück, dass ich mit Diana Tishchenko (Violine), Liisa Randalu (Viola) und István Várdai (Cello) drei Solisten an meiner Seite habe, die international unterwegs sind und mit denen ich schon einige Konzerte gespielt habe. Wir spielen das wahrscheinlich virtuoseste Kammermusikwerk der Klassik, das Oboen-Quartett F-Dur von Mozart, das damals für die meisten Oboisten fast unspielbar war und uns auch heute noch vor ziemliche Herausforderungen stellt. Als Pendant dazu steht Benjamin Brittens „Phantasy Quartet“ auf dem Programm. Mit diesem feierte der erst 18-jährige Pianist und Komponist seinen ersten internationalen Erfolg. Dann noch ein selbst für Klassikkenner wirklich unbekanntes Werk eines Engländers namens Ernest John Moeran, das wie Nebelschwaden über verregnete Auen klingt. Ein wirklich wunderschönes, typisch englisches Stück, das in die pastorale Welt Großbritanniens entführt. Gerade der Meldorfer Dom eignet sich perfekt für diese Musik.

Die meisten Musiker sind ja entweder erfolgreiche Solisten oder Orchestermusiker. Sie machen beides. Ist das nicht zu stressig?

Nein. Ich liebe beides. Es ist wunderbar als Solist unterwegs zu sein, aber auch mit anderen Musikern zu arbeiten. Im Orchester muss man sich zurücknehmen, muss zuhören und sich anpassen. Diese Art von Seelenreinigung ist etwas sehr Schönes. Aber dann kommt auch irgendwann der Moment, wieder eigene Ideen auf die Bühne bringen zu wollen. Das ist gut für meine Musik und auch fürs Ego.

Sie haben im letzten Jahr Ihre Biografie „Klangwunder. Wie die Kraft der Musik mich geheilt hat“ veröffentlicht, in der Sie sehr offen über Ihr Leben und Ihre Karriere geschrieben haben. Warum war Ihnen das wichtig?

Viele Musiker verbindet eine spezielle Gemeinschaft. Viele von uns hatten eine nicht unbedingt glückliche Kindheit. Es gibt irgendeinen bestimmten Grund, warum es uns auf die Bühne gedrängt hat und wir den Kontakt zum Publikum suchen. In meinem Fall war es fehlendes Selbstvertrauen und der Wunsch nach Anerkennung. Ich hatte als Kind eine Sprachhemmung, habe gestottert. Das Selbstbewusstsein oder das Selbstwertgefühl hat sich tatsächlich erst geändert mit der Oboe; dadurch, dass ich gebraucht wurde und dass ich vielleicht auch etwas konnte, was andere nicht konnten. Das hat mir geholfen, meine Traurigkeit und Unzufriedenheit zu überwinden. Durch dieses Selbstbewusstsein konnte ich meinen Sprachfluss wieder herstellen. Diese Art von Schicksal teilen viele Menschen. Heute bin ich glücklicherweise in einer Position, wo ich anderen auch etwas zurückgeben möchte, die vielleicht unter ähnlichen Problemen leiden, wie ich in meiner Kindheit.

Mit Ihrer aktuellen CD, die am 4. August auf den Markt kommt, sind Sie Mozart untreu geworden und erkunden das musikalische Universum der Familie Bach. Worauf dürfen Fans sich freuen?

Ich habe in meinem Leben natürlich schon einige Bach-Alben aufgenommen. Durch das Studium des Oeuvre Johann Sebastian Bachs bin ich darauf gestoßen, dass diese weitverzweigte Familie wahrscheinlich die erfolgreichste Musikerfamilie war, die es jemals gab auf diesem Planeten. Das fand ich sehr interessant. Inklusive der Stiefsöhne haben wir vier Generationen von Komponisten aus der Familie Bach auf diesem Album vereint. Deshalb heißt es auch „Bach Generations“. Das Verblüffende daran ist, dass die Kompositionsstile und der Geschmack der Musik sehr unterschiedlich sind. Ich habe immer gedacht, dass sich die nachfolgenden Generationen viel mehr an diesem Übervater Johann Sebastian orientiert hätten; aber das ist überhaupt nicht der Fall. Deshalb ist es ein sehr buntes Album geworden.

Freitag, 11. August, 19.30 Uhr
Schönberg Kirche

Samstag, 12. August, 19.30 Uhr
Meldorfer Dom

Dienstag, 15. August, 20 Uhr
Elbphilharmonie

Mittwoch, 16. August, 19.30 Uhr
Petruskirche Kiel