Vivi Vassileva: Virtuoser Wirbelwind

Die Perkussionistin Vivi Vassileva (29) erhält den diesjährigen SHMF Bernstein Award der Sparkassen Finanzgruppe.

Mit der Ernennung Vivi Vassilevas zur Preisträgerin des diesjährigen Leonard Bernstein Awards beginnt eine neue Ära: Es ist das erste Mal, dass die Auszeichnung, die seit 2002 beim Schleswig-Holstein Musik Festival vergeben wird, an die Schülerin eines ehemaligen Preisträgers geht. Die in Deutschland in einer bulgarischen Musikerfamilie großgewordene Schlagzeugerin studierte am Mozarteum in Salzburg bei keinem Geringeren als Martin Grubinger, der den Award 2007 erhielt. Brillieren wird Vivi Vassileva in den Konzerten in Lübeck – in dessen Rahmen die Preiszeremonie stattfindet – und Itzehoe mit dem hochvirtuosen Schlagzeugkonzert »Inferno« von Daníel Bjarnason, bei dem sie nicht nur ihre überragende Technik, sondern auch ihre enorme Musikalität unter Beweis stellen wird. Andreas Guballa hat mit der Preisträgerin gesprochen.

Foto Julia Wesely/ Wiener Konzerthaus

Sie sind in einer Musikerfamilie mit drei älteren Geschwistern aufgewachsen, die alle Geige spielen. Wie sind Sie zum Schlagwerk gekommen?

Ich habe auch erstmal von meinem Vater eine Geige in die Hand gedrückt bekommen. Als das jüngste Kind wollte ich es meinen Eltern natürlich recht machen, aber ich war nicht wirklich motiviert. Meine Eltern haben ein Haus am Schwarzen Meer, wo ich in meiner Kindheit jeden Sommer verbracht habe. Dort gibt es bis heute Musiker und Trommler, die dort am Strand spielen. Ich habe das immer aus der Ferne beobachtet, weil es mich total fasziniert hat. Irgendwann habe ich mir ein Herz gefasst und gefragt, ob ich diese Trommeln mal ausprobieren dürfte. Mir wurde dann sofort eine Djembe in die Hand gedrückt, die damals fast so groß war wie ich. Ich habe mich drauf gesetzt und durfte sofort im Kreis dieser Musiker mitspielen. Das Besonders war für mich damals dieses spontane Musizieren, dieses Improvisieren, was ich von zu Hause nicht kannte.Ich bin – schon im Bauch meiner Mutter – mit klassischer Musik aufgewachsen. Einfach so spontan drauf los spielen, fand ich total toll. Als wir dann nach den Sommerferien wieder in Deutschland waren, habe ich meinen Vater ein Jahr lang angefleht, bis er mich irgendwann zum professionellen Schlagzeug-Unterricht angemeldet hat.

Bläser und Geiger bringen ihre Instrumente zum Konzert selbst mit. Wie ist das bei Ihnen? Wie sieht Ihr Instrumentenkarussel aus?

Ich habe extrem viele Instrumente dabei. Für das Schlagzeugkonzert „Inferno“ von Daníel Bjarnason spiele ich sogar ein paar sehr spezielle Instrumente, allen voran die Wiener Kesselpauken, die im atemberaubenden zweiten Satz eine besondere Bedeutung haben. Dafür kommen extra zwei Orchesterkollegen mit mir nach vorne, um sie zu spielen.

Im dritten Satz spiele ich die Txalaparta, das ist ein ganz außergewöhnliches Instrument, das wahrscheinlich schon seit über tausend Jahren so nur im Baskenland existiert. Es besteht aus sieben Holzbalken, auf denen ich mit Hämmern und Schlegeln spiele. Außerdem kommen ein Marimbaphon und sieben Tomtoms zum Einsatz. Die Instrumente haben wir alle in einem großen Sprinter hoch in den Norden transportiert.

Am Freitag wird Ihnen der Bernstein Award verliehen. Was bedeutet Ihnen der Preis?

Ich bin total stolz, dass dieser Preis schon das zweite Mal ans Schlagzeug vergeben wird. Der erste Preisträger war ja Martin Grubinger, bei dem ich studiert habe. Das ist ein Beweis für mich, dass das Schlagzeug wirklich das Instrument des 21. Jahrhunderts ist, das die zeitgenössische Musik am meisten vorantreibt mit seinen unendlichen Klängen. Dass wir Instrumente und Klänge aus verschiedensten Ländern und Kulturen aus allen Ecken der Welt kombinieren, ist für mich auch gesellschaftlich wichtig. Wir Schlagzeuger sind von Haus aus offen für neue Instrumente, neue Techniken und neue Kulturen, von denen wir lernen können.

Deshalb ist der Bernstein Award eine Bestätigung für mich und das Instrument sowie eine enorme Wertschätzung und Ehre. Ich habe frühere Preisträger immer bewundert und hätte nie erwartet, den Preis selbst einmal zu erhalten. Daher freue ich mich sehr.

Lange Zeit hat sich der Einsatz der Orchesterschlagwerker auf ein paar Paukenschläge beschränkt. Hat sich die Schlagzeugliteratur in den letzten Jahren weiterentwickelt?

Glücklicherweise hat sich in den letzten 30 Jahren das Schlagzeug-Repertoire rasant entwickelt. Man kann ein Konzert von heute kaum vergleichen mit Schlagzeugkonzerten aus den achtziger Jahren – allein schon, wenn man in die Partitur schaut: die Instrumente, die benutzt werden, und die technischen Anforderungen an die Solisten haben sich komplett verändert. Da ist in den letzten Jahrzehnten eine wunderbare Zusammenarbeit zwischen Percussionisten und Komponisten entstanden, die sich zusammengetan haben, um speziell für Schlagzeuginstrumente anspruchsvolle und abwechslungsreiche Stücke zu komponieren. Deswegen freue ich mich sehr, dass ich ein frisch gebackenes Konzert dabeihabe, das erst im letzten Jahr uraufgeführt wurde. Daníel Bjarnason ist damit ein echtes Meisterwerk gelungen, bei dem er zeigen kann, dass er es versteht zu orchestrieren und dabei das Potenzial der Schlagzeuginstrumente bis an ihre Grenzen auszuschöpfen.