Die kanadisch-italienische Mezzosopranistin Emily D’Angelo erhält in diesem Jahr den mit 10.000 Euro dotierten Leonard Bernstein Award des Schleswig-Holstein Musik Festivals (SHMF). Die 25jährige ziehe die Menschen mit ihrer Stimme sofort in den Bann und lebe ihre Rollen mit ihrem ganzen Witz und Charme, so die Jury-Begründung. Festivalintendant und Jury-Mitglied Christian Kuhnt: „Die junge Künstlerin überzeugt mit einer für ihr Alter ungewöhnlichen Reife und Variationsbreite an musikalischem Ausdruck, mit dem sie sowohl das barocke Pathos einer Händel-Arie als auch Rossinis Melodien mit kesser Verspieltheit neu belebt.“
Sind Sie in einem musikalischen Elternhaus aufgewachsen?
Ja, meine Eltern sind zwar keine professionellen Musiker, aber beide sind große Musikfreunde und Freizeitmusiker. Mein Vater spielt Gitarre, meine Mutter singt und meine Großmutter war Pianistin. Daher habe ich die Musik wohl mit der Muttermilch aufgesogen und war ständig von ihr umgeben.
Wie sind Sie zum Gesang gekommen?
Wahrscheinlich habe ich die Liebe zum Gesang bereits als Kind durch die Wiegenlieder meiner Großmutter entdeckt, denn ich habe eigentlich mein Leben lang gesungen. Ich habe dann an der Universität von Toronto bis 2016 Voice Performance studiert und meine Karriere startete nach dem Abschluss im gleichen Jahr durch verschiedene Wettbewerbe, Vorsingen und meinem Operndebüt als Cherubino in Mozarts “Le nozze de Figaro” beim Spoleto Festival. Danach war ich ein Jahr lang Ensemblemitglied der Canadian Opera Company, zwei Jahre Opernstudio-Mitglied an der New Yorker Met und habe nebenbei frei gearbeitet. Ich schätze mich sehr glücklich, vom Fleck weg Engagements gefunden zu haben.
Gab es einen bestimmten Moment, an dem Sie entschieden haben, Ihr Leben der Musik zu widmen?
Da Musik eine so große Rolle in meinem Leben spielt, wollte ich einfach mit 17 Jahren austesten, ob es als Lebenserwerb reicht und bin zur Musikhochschule gegangen. Hier wurden dann die richtigen Weichen gestellt, um eine professionelle Karriere zu starten.
Gab es ein Vorbild?
Cecilia Bartoli war und ich ein großes Vorbild für mich. Sie ist eine solche Virtuosin und ich sehe zu ihr auf. Da ich auch gerne Jazz und Pop höre, gehören aber auch Nina Simone und Beyoncé zu meinen Vorbildern. Sie alle haben einen einzigartigen Sound und ich liebe es, wenn sie die verschiedenen Möglichkeiten der menschlichen Stimme austesten.
Gibt es einen Lieblingskomponisten oder ein Lieblingsrepertoire?
Ich tue mich schwer damit, einen Favoriten zu benennen. Ich stürze mich jedes Mal Hals über Kopf in die aktuelle Aufgabe, die mich erwartet, und versuche die Rolle so leidenschaftlich wie möglich auszufüllen. Natürlich singe ich viel Mozart, Händel und Alte Musik, aber ich liebe auch das deutsche Repertoire. Auch jenseits der klassischen Musik schätze ich guten Gesang.
Und wie sieht es mit Ihren Deutschkenntnissen aus?
(lacht) Nicht so schlecht. Ich habe ein bisschen Deutsch gelernt, aber viel vergessen.
Ist das Sängerinnen-Dasein nicht der einsamste Job der Welt, viele wechselnde Engagements, immer neue Kollegen, wechselnde, unbekannte Orte? Wie gehen Sie damit um?
Das gehört einfach dazu, wenn man sich für dieses Leben entschieden hat. Ich liebe es, neue Menschen kennenzulernen und unbekannte Orte zu entdecken. Ich bin kein Routinemensch und mag es, wenn sich Dinge schnell ändern. Das ist für mich völlig in Ordnung. Aber natürlich gibt es auch schwierige Momente, in denen man sich einsam fühlt oder Probleme hat, sich immer wieder auf neue Situationen einstellen zu müssen. Aber Aufgeschlossenheit, Neugier und Interesse, sich auf Neues einzulassen, helfen, damit fertig zu werden. Und schließlich gibt es immer noch Facetime und Skype, um mit den Menschen in Kontakt zu bleiben, die weit weg sind und die man liebt.
Viele Kritiker schwärmen von dem Zauber, der von Ihrer Stimme ausgeht. Wie reagieren Sie auf Lob?
Ich lese kaum Kritiken und versuche nicht so viel Wert darauf zu legen, was andere Menschen über mich denken, außer es sind meine Lehrer oder gute Freunde. Natürlich singen wir fürs Publikum und nicht zum Selbstzweck. Und ich versuche, so gut wie möglich zu sein und alles, was ich geben kann, in eine Rolle zu legen. Wenn ich das Gefühl habe, das Beste gegeben zu haben, dann ist es aber egal, was Kritiker dazu sagen – egal ob sie es gut oder schlecht meinen.
In diesem Jahr bekommen Sie den Leonard Bernstein Award. Wie wichtig ist Ihnen dieser Preis?
Es war unfassbar, die Email aus heiterem Himmel zu bekommen, dass ich diesen so prestigeträchtigen Preis erhalten soll. Allein, wenn man sich die lange Liste der bisherigen Preisträger anschaut, bin ich überwältigt. Bernsteins beispielloses Erbe als Künstler, Pädagoge und Meister hat so viele Musiker inspiriert. Dieser Preis bedeutet sehr viel für mich und ich fühle mich unglaublich geehrt.
Sie gestalten auch das Preisträgerkonzert. Worauf darf sich das Publikum freuen?
Wir bringen mit Rossini und Mozart zwei meiner Lieblingskomponisten auf die Bühne. Rossinis Kantate „Giovanna d’Arco“, die ursprünglich nur für Stimme und Klavier komponiert wurde, führen wir als „große Opernszene“ in der Orchesterfassung auf- ein packendes und beeindruckendes Werk über die Jungfrau von Orleans, diese kraftvolle Frauenfigur der französischen Geschichte, die ihrer Zeit so weit voraus war. Außerdem singe ich einige meiner geschätzten Mozart-Arien aus „La Clemenza di Tito und „Le nozze di Figaro“.
Haben Sie schon mal mit Christoph Eschenbach zusammengearbeitet?
Nein, leider nicht; aber ich freue mich schon sehr auf die Zusammenarbeit, denn ich habe schon so viel Unglaubliches über ihn gehört.
Wenn Sie selbst nicht auf der Bühne stehen, gehen Sie dann auch mal in die Oper oder ins Konzert?
Ich liebe es, Aufführungen zu besuchen. Nicht nur aus dem klassischen Umfeld. Wenn man in New York City lebt, gibt es so viele Möglichkeiten, die Kunst anderer Menschen zu entdecken.
Wie sehen Ihre nächsten Pläne und Zukunftswünsche aus?
Den Sommer über bin ich als Dorabella in „Così fan tutte“ an der Oper von Santa Fé verpflichtet; im Herbst singe ich viele Konzerte, danach habe ich verschiedene Opernproduktionen in Toronto, Wien, Rouen und Paris. Und im nächsten Sommer gehe ich als Rosina in „Der Barbier von Sevilla“ zurück nach Santa Fé. Es warten also viele spannende Projekte in vielen aufregenden Städten auf mich in nächster Zeit. Ich freue mich unheimlich, neue Dinge auszuprobieren. Und für die Zukunft zeichnen sich auch schon einige interessante Dinge am Horizont ab. Ich lasse das alles auf mich zukommen und freue mich einfach, so viel großartige Musik singen zu dürfen wie möglich.
- 15. August, 20 Uhr: ACO Thormannhalle Büdelsdorf (Generalprobe)
- 16. August, 20 Uhr: Preisverleihung und Preisträgerkonzert mit Emily D’Angelo in der Lübecker Musik- und Kongresshalle (MuK). Christoph Eschenbach dirigiert das Schleswig-Holstein Festival Orchestra
Karten unter 0431 23 70 70