Alexander Krichel ist auf der Suche nach Tiefgründigkeit

Der ECHO Preisträger Alexander Krichel ist auf Deutschland-Tour.

Als Schüler gewann Alexander Krichel nicht nur den Steinway-Klavierwettbewerb, sondern zählte auch bundesweit zu den Besten in den Fächern Mathematik und Fremdsprachen. Nach dem Abitur sollte er auf Wunsch der Eltern Medizin studieren, doch er setzte seinen Willen durch und begann ein Klavierstudium. Inzwischen ist er 26 Jahre alt, besitzt einen Exklusiv-Vertrag mit Sony und wurde für seine Debüt-CD Frühlingsnacht mit dem ECHO Klassik als bester Nachwuchskünstler 2013 ausgezeichnet. Mit der Dresdner Philharmonie hat er jetzt ein Rachmaninow-Album vorgelegt und geht auf Deutschland-Tour. Andreas Guballa hat mit dem Hamburger Pianisten gesprochen.

Nach „Frühlingsnacht mit romantischem Repertoire und „Chopin – Hummel – Mozart“ haben Sie für Ihre neue CD mit Rachmaninows „Klavierkonzert Nr. 2 in c-Moll“ eines der berühmtesten Klavierkonzerte der Spätromantik ausgewählt. Die großen Gefühle in der Musik, die Lieder der Romantik scheinen Ihnen zu liegen. Sind Sie ein „hoffnungsloser Romantiker“?

Wenn man meine Biografie liest, denken die meisten Menschen eigentlich, ich sei ein mathematisch-analytischer Kopfmensch. Aber wenn man meine Freunde fragt, würden die sicher bestätigen, dass ich so romantisch wie nur möglich bin. Ich denke, ich bin ein sehr emotional veranlagter Mensch. Daher liegt mir dieses Repertoire auch so gut. Gerade dieser Rachmaninow, der ja emotional sehr tief geht. Für mich ist aber auch die romantische Klang- und Farbgebung wichtig – deshalb habe ich auch auf der vorherigen CD Mozart und Chopin kombiniert.

 

Was hat Sie an Rachmaninows zweitem Klavierkonzert gereizt?

Ich bin seitens meiner Ausbildung sehr russisch geprägt, weil ich fast ausschließlich bei Russen studiert habe. Außerdem habe ich dieses Stück auf meiner ersten Venezuela-Reise mit dem Nationalorchester Venezuela gespielt und es war auch das letzte Stück, das ich meinem Professor Vladimir Krainew wenige Stunden vor seinem Tod vorgespielt habe. Daher hat es eine sehr große Bedeutung für mich. Es ist eine sehr leidenschaftliche und poetische Musik mit unwiderstehlichen Melodien, die sich sehr schnell erschließen. Es gibt sehr viele Hollywood-Interpretationen von diesem Stück, das Rachmaninow dem Psychologen Dahl gewidmet hat, der ihn von tiefsten Depressionen erlöst hat. Ich denke, dieses Stück geht einfach unfassbar tief. Für Rachmaninow und für mich, auch durch die Geschichte, die mich mit ihm verbindet.

 

Das Stück ist auch ein Werk, das sowohl technisch als auch künstlerisch höchste Ansprüche an den Interpreten stellt – lieben Sie die Herausforderung?

Es war schon immer so, dass Sachen, von denen gesagt wurde, sie seien unspielbar oder noch zu schwer für mich, Ansporn für mich waren. Herausforderungen stellen für mich kein Hindernis dar, sondern ich stelle mich ihnen. Damals war das auch ein Grund, dieses Stück zu lernen. Mittlerweile habe ich es so verinnerlicht, dass nicht mehr die technische Herausforderung das Ziel ist, sondern der maximale Ausdruck.

 

Die Presse lobt ihre „feine Sensorik für Stimmungen“ und die „empfundenen Emotionen“. Das ist erschaunlich für einen so jungen Künstler. Wie gehen Sie bei der Interpretation der Werke vor: eher emotional oder – als Jungstudent für mathematisch Hochbegabte – analytisch?

Ich denke, beides ist sehr wichtig. Die kognitive Komponente ist bei der Erarbeitung eines neuen Werkes sehr präsent, aber die Interpretation auf der Bühne erfolgt dann absolut emotional. Ich versuche, mich mit den Botschaften des Werke so zu identifizieren, dass sie so herüberkomme als hätte ich sie selbst komponiert. Ich verstehe mich wie ein Museumsführer, der dem Publikum direkt vermittelt, was der Komponist in seinem Werk ausdrücken wollte. Dabei ist mir der Dienst am Werk sehr viel wichtiger als Selbstdarstellung. Man muss einen Weg finden, sich auf der einen Seite selbst in dem Werk zu präsentieren, aber trotzdem das Werk genau zu kennen und zu wissen, was der Komponist in den Passagen eigentlich wollte.

 

Sie werden als „eine der größten Begabungen“ und „phänomenales Ausnahmetalent“ bezeichnet. Wie gehen Sie mit soviel Lob um und wie behalten Sie die Bodenhaftung?

Ich finde, dass ist eine schöne Bestätigung. Als Künstler ist es aber wirklich wichtig, diese Bodenhaftung zu behalten. Ich vertrete die Philosophie, dass es in der Musik Perfektion per se gar nicht gibt. Es gibt geniale oder sehr gute Interpretationen, aber keine Perfektion, nach der wir als Künstler alle streben. Daher sind Komplimente etwas schönes, was ich gern annehme und über die ich mich freue. Denn natürlich ist es wichtig zu erfahren wie von anderen Menschen wahrgenommen wird, was man macht. Trotzdem darf man nicht aufhören an sich und seiner Musik zu arbeiten.

 

Spätestens mit der Verleihung des ECHO Klassik sind Sie auf dem Sprung zur Weltkarriere. Wie fühlt sich sowas an?

Man bekommt durch den ECHO natürlich sehr viel Aufmerksamkeit, auch von Menschen, die man außerhalb des Konzertsaals sonst nicht erreichen würde. Es war aber nicht das Sprungbrett zur großen Karriere. Ich denke, dass sich die Karriere eines Künstlers nach und nach aufbaut und so ein ECHO ist nur eine von vielen Möglichkeiten, die man gut nutzen sollte. Diese Möglichkeit möchte ich ergreifen, ohne mich auf meinen Lorbeeren auszuruhen. Ich habe das Glück, dass ich mit meiner Plattenfirma die Projekte erarbeiten kann, die mir am Herzen liegen und die ich gerne realisieren möchte. Viel wichtiger ist aber, dass man in den Konzerten, sein Publikum erreicht. Das ist viel bedeutender als große Fernsehauftritte und Preisverleihung.

Die CD „Rachmaninov: Piano Concerto No. 2 / Moments Musicaux“ ist bei Sony Classical erschienen.

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Alexander Krichel – Bild Henning Ross

Termine:

  • 02. November Hamburg (Friedrich-Ebert-Halle Hamburg-Harburg)
  • 03. November Bremen (Sendesaal)
  • 05. November Kiel (Schloss)
  • 07. November Schloss Oranienstein
  • 09. November Freiburg (Historisches Kaufhaus)
  • 11. November Stuttgart (Liederhalle, “Meisterpianisten”-Reihe)
  • 13. November Mainz (Frankfurter Hof, SWR-Reihe “Internationale Pianisten)
  • 15. November Kloster Malgarten