Giora Feidman: Friedensbotschafter auf der Klarinette

Mit seiner Klarinette hat er die Welt erobert und Generationen berührt – Giora Feidman ist weit mehr als ein Musiker. Der „King of Klezmer“, wie er oft genannt wird, hat die jüdische Volksmusik aus den Shtetln Osteuropas auf die großen Bühnen der Welt gebracht und ihr dabei eine neue Seele eingehaucht. Als Friedensbotschafter auf der Klarinette appelliert er auf seiner aktuellen Tournee „Revolution of Love“ für ein friedliches Miteinander sowie für mehr Liebe und Harmonie. Am 25. August macht der Bundesverdienstkreuzträger Station im Stadttheater Heide.

Giora Feidman. Foto Mehran Montazer

Herr Feidman, was bedeutet für Sie der Titel Ihrer aktuellen Tournee „Revolution of Love“ und welche Botschaft möchten Sie damit vermitteln?

„Revolution of Love“ ist eine friedliche Protestaktion. Schauen Sie sich die Welt an – wir leben im 21. Jahrhundert, und doch wird unsere Gegenwart von Kriegen dominiert. Gewalt, Hass, Spaltung. Wo führt das alles noch hin?
Mit diesem Konzert möchte ich ein Zeichen setzen. „Revolution of Love“ ist mehr als ein musikalischer Abend – es ist ein Moment der kollektiven Einkehr, eine Einladung an das Publikum, Teil einer Bewegung zu werden. Einer Bewegung, die nicht mit Waffen, sondern mit Klang, Gefühl und Gedanken arbeitet.
Die Menschen werden an diesem Abend nicht nur, wie ich finde, wundervolle Musik hören. Sie werden vielleicht auch nachdenklich nach Hause gehen. Und genau das ist unsere Aufgabe als Künstler: unserer Gesellschaft Denkanstöße zu geben; Mut zu machen, aber auch Widerspruch zu formulieren, da, wo er notwendig ist.
Ich war vor wenigen Wochen noch in Israel – genau zu dem Zeitpunkt, als der Krieg zwischen Israel und dem Iran ausbrach. Es war furchtbar. Die Sirenen, die Panik, der ständige Druck. Wissen Sie, was mir in diesem Bunker einen Moment der Ruhe geschenkt hat? Ich habe die Ouvertüre von „Revolution of Love“ gespielt. Diese Musik hat mich beruhigt. Sie hat mir Kraft gegeben – und mir inmitten des Chaos erneut gezeigt, warum ich an dieser Mission festhalte: Musik als Stimme für Frieden, Menschlichkeit und Hoffnung

Worauf darf sich das Publikum bei Ihrem Konzert freuen?

Bei diesem Konzert wird das Publikum ein ganz neues Programm von mir hören. Natürlich bringe ich auch meine weltbekannten Klezmer-Stücke mit – sie sind ein Teil von mir, von meiner musikalischen Geschichte. Aber ich entwickle mich weiter. Seit Jahren nehme ich im Rhythmus von zwei Jahren ein komplett neues Album auf. Ich glaube an Erneuerung – an das Weitererzählen der Musik in unserer Zeit. Und ich bin glücklich, auf diesem Weg einen Menschen wie Majid Montazer an meiner Seite zu haben. Er ist nicht nur ein Freund, sondern ein Komponist, den ich sehr schätze. Er hat das Programm „Friendship“ geschrieben, und auch das aktuelle Programm „Revolution of Love“ stammt aus seiner Feder.
„Revolution of Love“ nimmt die Menschen für etwa 100 Minuten mit – heraus aus dem Alltag, hinein in eine andere Welt. Eine Welt voller schöner und klagvoller Melodien, voller Licht und Schatten, Hoffnung und Erinnerung.

Welche Botschaft möchten Sie dem Publikum in Heide mit Ihrer Musik vermitteln?

Am Ende steht für mich eine einfache, aber große Wahrheit: Dass die Liebe über allem steht. Menschlichkeit, Barmherzigkeit – das sind die Kräfte, die uns wirklich weiterbringen. Viel weiter als jeder Krieg, jede Gewalt, jede Machtgier. Ich möchte mit meiner Musik die Seelen und Herzen der Menschen erreichen. Wenn ich spiele, dann versuche ich, mit meinem Instrument zu sprechen – ganz direkt, von Mensch zu Mensch. Ich wünsche mir, dass jeder, der dieses Konzert besucht, spürt, wofür ich seit mehr als sechs Jahrzehnten lebe, reise und kämpfe: Für den Frieden. Für das Miteinander. Für eine Welt, in der Liebe nicht nur ein Wort ist – sondern ein Handeln.

Sie möchten mit Ihrer Musik nicht nur unterhalten, sondern auch Hoffnung und Verbundenheit stiften. Wie gelingt es Ihnen, das Publikum emotional zu erreichen?

Wissen Sie, ich gehöre zu den glücklichen Künstlern, die im Lauf der Jahrzehnte eine freundschaftliche Beziehung zum Publikum aufbauen durften. Wenn ich auf der Bühne sitze, spüre ich oft, dass da eine stille, innere Verbindung entsteht. Es ist, als ob manche Menschen im Saal mit mir kommunizieren – nicht mit Worten, sondern mit ihrer Präsenz, mit ihrer Offenheit. Meine Gäste wissen: Ich habe ihnen nie etwas vorgespielt. Ich habe nie eine Maske getragen. Ich habe oft die Wahrheit gesagt – auch dann, wenn sie unbequem war. In meinen Konzerten spreche ich manchmal Themen an, über die sonst öffentlich kaum gesprochen wird. Aber ich glaube fest daran, was von Herzen kommt, findet seinen Weg in andere Herzen. Mein Rezept ist eigentlich ganz einfach: Ich kann andere nur dann erreichen, wenn ich aus meiner tiefsten Seele spreche. Wenn ich ehrlich bin. Wenn ich nicht nur spiele – sondern etwas Wahres teile.

In Ihrem Programm vereinen Sie Klezmer, Tango und geistliche Musik – wie gelingt Ihnen dieser musikalische Brückenschlag?

Ich gestalte meine Programme seit vielen Jahren gemeinsam mit Majid Montazer. Er ist ein wahrer Meister der Programmplanung – und eine große Unterstützung für mich. Vor jeder Tournee setzen wir uns zusammen und schauen uns aktuelle Themen an – Dinge, die in diesem Jahr geschehen, gesellschaftlich relevant sind oder Menschen besonders bewegen.
Unsere künstlerische Vision steht dabei immer im Mittelpunkt: der Wunsch nach Weltfrieden. Das Programm ist wie eine Reise aufgebaut – mit Höhen und Tiefen, mit Licht und Schatten. Es darf nie langweilig werden, nie gleichförmig. Wie Sie vielleicht wissen, dauert mein Konzertprogramm etwa 100 Minuten – und es läuft ohne Pause. Ich bekomme sehr oft wundervolle Rückmeldungen von Gästen, die mir sagen: „Wir haben gar nicht gemerkt, wie schnell die Zeit vergangen ist – und waren traurig, dass es schon vorbei war.“ Solche Worte sind für mich ein Geschenk. Ein Kompliment, das mein Herz berührt – und zum Leuchten bringt.

Sie setzen sich seit Jahren für Frieden und Völkerverständigung ein. Welche Rolle spielt Musik dabei für Sie?

Die Hauptrolle spielt für mich immer die Musik. Ich bin weder ein großer Redner noch ein Politiker. Was ich kann – das ist, mit der Sprache meiner Musik zu sprechen. Mit Tönen, nicht mit Parolen. Mit Klang, nicht mit Lautstärke. Und manchmal gelingt es mir, Menschen genau dort zu berühren, wo Worte längst nicht mehr hinkommen: im Innersten.

Wie fühlt es sich an, mit über 80 Jahren noch immer als „Friedensbotschafter mit der Klarinette“ auf der Bühne zu stehen?

Ein Musiker zu sein – das ist für mich kein Beruf. Es ist meine Berufung. Es erfüllt mich mit tiefem Glück, für Menschen spielen zu dürfen – mit meiner Klarinette, mit meiner ganzen Seele. Ich bin zutiefst dankbar. Dankbar dafür, dass sich Menschen die Zeit nehmen, um zu meinen Konzerten zu kommen. Manche reisen von weit her, andere bringen ihre Familien mit – sie schenken mir ihre Aufmerksamkeit, ihre Offenheit, ihr Herz. Das ist ein unbeschreiblich schönes Gefühl. Ein Geschenk, das ich nie als selbstverständlich nehme.

Welche Rolle spielt das Zusammenspiel mit Ihrem Duo-Partner Vytis Šakūras auf der Bühne?

Wissen Sie, ich habe mittlerweile sechs oder sieben verschiedene Ensembles, mit denen ich auftrete. Doch mein Duo-Programm mit Šakūras gehört zu meinen absoluten Lieblingsprojekten. Er ist ein ausgezeichneter Musiker – und ein wunderbarer Begleiter.
Er versteht sein Fach in jeder Nuance. Er hört zu, atmet mit, gestaltet mit. Mit ihm zu musizieren ist kein Nebeneinander, sondern ein echtes Miteinander. Das Publikum spürt das – diese Verbindung, diesen Dialog zwischen uns auf der Bühne. Es ist ein großes Glück, mit einem solchen Partner Musik teilen zu dürfen.

Im Laufe Ihrer Karriere haben Sie zahlreiche Auszeichnungen erhalten, unter anderem das Große Bundesverdienstkreuz. Was bedeuten Ihnen diese Ehrungen?

Ich bin dankbar und glücklich, dass meine Arbeit in der Öffentlichkeit ihren Platz gefunden hat. Wissen Sie, die schönste Auszeichnung für mich ist nicht ein Preis oder ein Titel. Es sind die Menschen, die nach dem Konzert zu mir kommen und sagen: „Durch Ihre Musik bin ich zur Klarinette gekommen“ oder „Ich sehe die Welt heute mit anderen Augen.“
Wenn mir jemand erzählt, dass er durch meine Musik offener geworden ist, offener für andere Menschen, für das Leben, für Mitgefühl dann weiß ich, dass meine Arbeit ihren Sinn erfüllt hat. Denn genau darum geht es mir nicht nur Musik zu spielen, sondern Herzen zu berühren und vielleicht einen kleinen Impuls zu geben, die Welt wärmer zu sehen.

Wenn Sie an die Zukunft denken: Was wünschen Sie sich für die nächsten Generationen – musikalisch und menschlich?

Ich wünsche mir – ganz einfach – eine bessere Welt. So heißt übrigens auch mein nächstes Album und die dazugehörige Tour, die ab 2026 startet. Diesen Titel habe ich bewusst gemeinsam mit Majid Montazer ausgewählt, der die Musik dafür komplett komponiert hat. Im nächsten Jahr werde ich 90 Jahre alt. Zu diesem besonderen Geburtstag wünsche ich mir vor allem eines: Eine bessere Welt für die Menschheit. Eine Welt, in der Kinder keine Angst vor Bomben haben. Eine Welt, in der kein Kind seine Eltern durch Krieg verliert. Eine Welt, in der kein Kind hungrig schlafen muss. Musikalisch wünsche ich mir für die nächste Generation, dass Technik die Kunst nicht in den Schatten stellt. Wissen Sie, Kunst kommt bekanntlich von Können. Technik ist auch für die Kunst eine gute Hilfe, eine Unterstützung, aber niemals ein Ersatz. Wenn ich sehe, wie immer öfter in Konzerten und Studios Musiker durch Computer und Technik ersetzt werden, dann fühlt sich das für mich nicht richtig an. Für mich ist Musik lebendig, persönlich, menschlich. Und genau das möchte ich bewahren – für heute und für morgen.

Giora Feidman Duo
Stadttheater Heide

Montag, 25.08.2025
Einlass: 19:00 Uhr
Beginn: 20:00 Uhr