Mit 17 Jahren gewann die Saxofonistin Jess Gillam den renommierten Wettbewerb „BBC Young Musician of the Year“, zwei Jahre später begeisterte sie bei der „Last Night of the Proms“ als jüngste Solistin, die dort jemals aufgetreten ist. Mittlerweile hat die junge Britin als einzige Vertreterin ihres Instruments einen Plattenvertrag bei Decca und moderiert ihre eigenen Radioshows beim Sender BBC. Nachdem Jess Gillam bereits 2023 das SHMF-Publikum verzaubert hat, kehrt sie nun mit ihrem eigenen Ensemble nach Schleswig-Holstein zurück.

Worauf kann sich das Publikum freuen?
Wir haben ein sehr abwechslungsreiches Programm, das die Vielseitigkeit des Saxofons zeigen soll – denn es ist ein Instrument, das in vielen Stilen und Genres zu Hause ist. Im Mittelpunkt steht dabei natürlich der Klang des Saxofons. Es wird ein bisschen Barock zu hören sein, ein wenig Jazz und allerlei andere Inspirationen.
Sie kombinieren klassische Musik mit Jazz und Pop. Wie wählen Sie das Repertoire für Ihre Konzerte aus?
Ich versuche im Allgemeinen, eine Art Energieaustausch zwischen beiden Seiten zu finden. Ich suche nach gemeinsamen emotionalen Elementen – zum Beispiel in der Musik von Gershwin und der Musik von Bach – oder welcher Kombination auch immer. Und ich glaube, man kann sich in einem Saxofon-Rezital viel ausprobieren, weil das Publikum keine so festen Vorstellungen vom Klang dieses Instruments hat wie etwa bei der Violine oder dem Klavier – wobei das Klavier da eine Ausnahme ist, weil es sich stilistisch sehr gut zwischen verschiedenen Genres bewegt. Aber bei vielen anderen Instrumenten hören wir einen Klang und denken sofort an eine bestimmte Art von Musik. Das ist beim Saxofon – besonders beim Sopransaxofon – nicht unbedingt so. Ich suche also nach Gemeinsamkeiten in Musik über Epochen und Genres hinweg.
Ihr Konzert findet in einer Kirche statt, aber Sie haben auch an Orten wie der Elbphilharmonie und anderen großen Konzerthallen gespielt. Passen Sie Ihre Programme an die jeweiligen Spielorte an?
Manchmal passe ich das Programm an, aber meist muss ich eher den Klang anpassen. Denn tatsächlich kann ich in kleineren Spielstätten nicht so laut spielen wie in großen Konzertsälen – das wäre den Leuten in der ersten Reihe gegenüber einfach nicht fair. Wir passen also immer an, wie wir die Stücke spielen, je nachdem, wo wir auftreten. Und manchmal ändern wir sogar ganze Abschnitte eines Stücks, weil wir innerhalb unseres Programms recht flexibel sind – je nachdem, was am besten zur jeweiligen Akustik und Umgebung passt.
Ihr Saxofonspiel gilt als besonders emotional und unmittelbar. Wie gelingt es Ihnen, diese Energie auf der Bühne zu vermitteln?
Ich habe mit dem Saxofon in einer Faschingsband angefangen – da ging es immer um Feiern mit Musik. Die Idee, dass Musik Menschen zum Lächeln bringen kann, dass sie Licht und Freude spendet. Diese Haltung versuche ich auch auf die Bühne im Konzertsaal zu übertragen. Ich bin ein Mensch, der seine Gefühle oft offen zeigt – ich bin nicht gut darin, Emotionen zu verbergen. Und die Musik, die ich spiele, ist oft sehr bewegend. Also steckt all die nötige Inspiration bereits in der Musik selbst.
Was schätzen Sie an Ihrem Instrument?
Ich liebe es, ganz unterschiedliche Musik spielen zu können – aber ich bewundere auch das brillante Design des Instruments. Seit es 1840 entworfen und 1846 von Adolphe Sax patentiert wurde, hat sich das Design kaum verändert. Sax hatte eine sehr klare Vorstellung vom Klang des Instruments – und dieser Klang ist extrem formbar. Man kann mit dem Saxofon brüllen, bellen, schreien – aber auch ganz sanft flüstern. Der Klang lässt sich wirklich formen und gestalten, genau so, wie man ihn haben möchte.
Sie waren vor zwei Jahren schon einmal beim Schleswig-Holstein Musik Festival. Welche Erinnerungen haben Sie daran und was schätzen Sie an diesem Festival?
Ich habe es vor zwei Jahren sehr genossen. Damals habe ich mit dem Gitarristen Miloš gespielt, und ich erinnere mich, dass das Publikum sehr herzlich, dankbar und offen für die Musik war. Auch das gesamte Festivalteam war einfach wunderbar – ich hatte eine tolle Zeit. Deshalb freue ich mich riesig darauf, wiederzukommen und hoffentlich neue Zuhörerinnen und Zuhörer kennenzulernen.
Sie engagieren sich stark dafür, klassische Musik einem jungen Publikum näherzubringen – etwa durch Ihre eigene Radiosendung bei der BBC. Warum ist Ihnen das so wichtig?
Ich glaube, das war nie eine bewusste Entscheidung, mich als Sprachrohr für die klassische Musik zu verstehen oder aktiv etwas in dieser Richtung zu tun – es kommt einfach daher, dass ich selbst so viel Liebe für diese Musik empfinde. Ich habe so viel Respekt für das, was sie mir gegeben hat, dass ich einfach den Drang verspüre, das mit möglichst vielen Menschen zu teilen – egal, ob jung oder alt. Viele Menschen entdecken klassische Musik erst später im Leben, was ich absolut nachvollziehen kann. Aber sie umfasst so viele Klangwelten, Stile, Komponisten und Perspektiven, dass der Begriff „klassisch“ junge Menschen manchmal eher abschreckt – obwohl sie in dieser Musik vielleicht genau das finden könnten, was sie tief berührt. Wenn man zum Beispiel Schostakowitsch oder Caroline Shaw mit Fauré oder Saint-Saëns vergleicht – das sind völlig unterschiedliche Klangwelten. Junge Menschen sollten die Chance bekommen, all diese Vielfalt zu entdecken – und sich dann vielleicht in einen Teil davon zu verlieben.
Hoffentlich kommen also viele junge Menschen zu Ihrem Konzert in Tönning. Letzte Frage: Warum sollte man dieses Konzert auf keinen Fall verpassen?
Wir werden auf der Bühne wirklich alles geben. Bei jedem Konzert versuche ich, die ganze Emotion, Energie und Freude, die ich habe, in die Musik zu legen und mit auf die Bühne zu bringen. Ich hoffe, dass die Menschen dadurch mitgerissen werden und sich durch die Musik beschwingt und gestärkt fühlen.
INFO:
Jess Gillam & Trio
13. August, 19.30 Uhr: St. Laurentiuskirche Tönning
14. August, 19.30 Uhr: Kirche Rellingen
Restkarten unter 0431 23 70 70 und an der Abendkasse