Die Theatergruppe Familie Flöz ist bekannt für ihre einzigartige Mischung aus Masken-, Pantomime- und Physical Theatre. Ihre Stücke kommen weitgehend ohne Sprache aus und zeichnen sich durch eine starke visuelle und körperliche Ausdruckskraft aus. Die Masken, die sie verwenden, werden von den Mitgliedern der Gruppe selbst entworfen und hergestellt, was einen wesentlichen Teil ihrer kreativen Identität ausmacht. Zum wiederholten Mal kommen sie zum Schleswig-Holstein Musik Festival (SHMF), wo sie in den letzten Jahren begeistert gefeiert wurde.
Sie feiern in diesem Jahr dreißigjähriges Jubiläum der Familie Flöz. Wie ist das Projekt seinerzeit entstanden?
Wir waren damals Studenten einer Pantomimenklasse an der Folkwang Universität in Essen und haben als Diplomarbeit das erste Stück erarbeitet, das von Bergarbeitern handelte. Dieses Projekt war so erfolgreich, dass wir beschlossen, weiterhin gemeinsam Theater zu machen. Seitdem leiten Hajo Schüler und ich die Kompanie zusammen.
Hätten sie denn damals mit so einem langanhaltenden Erfolg gerechnet?
Gewünscht habe ich mir natürlich, dass wir mit diesen Masken weltweit spielen können. An das Konzept habe ich von Anfang an geglaubt. Dass wir nach 30 Jahren immer noch so viele Menschen mit unseren Produktionen begeistern können, damit habe ich nicht gerechnet. Eigentlich wollten wir nie eine feste Institution werden. Aber im Jahr 2004 – nach zehn Jahren – haben wir uns dann doch entschlossen, als feste Theatergruppe weiterzumachen.
Versuchen sie mal zu erklären, was Sie da auf der Bühne überhaupt tun.
Wir arbeiten mit Vollmasken, das heißt, wir sprechen nicht – ein Schauspiel ohne Worte, aber keine Pantomime, sondern wir haben sehr viel Bühnenbild und Requisiten. Es gibt keine imaginären Objekte, aber trotzdem ist es ein sehr imaginäres Theater, da wir in die Maske, die eigentlich ja leblos und tot ist, Gefühle hineininterpretieren. Viele Zuschauer sehen deshalb wirklich Bewegung und Emotionen in der Maske. Das macht ein sehr eigenes Erlebnis für den Zuschauenden aus. Wenn er das reflektiert und auf die Bühne rückkoppelt, dann macht das diese besondere Theaterform aus.
Sie sind gern gesehene Gäste beim SHMF. In diesem Jahr kommen sie Ende August ins Kieler Schauspielhaus mit vier Aufführungen der Produktion „Infinita“. Worum geht’s?
„Infinita“ ist entstanden aus der Idee, etwas über zwei Menschengruppen zu erzählen, die im Theater selten vorkommen: kleine Kinder und alte Leute. Es geht um die lebenslange Freundschaft dreier Männer. Gezeigt werden die Anfänge in der frühen Kindheit und ihr Endpunkt im Seniorenheim. Es geht um Gegensätze, um erste und letzte Momente des Lebens, ums Brücken bauen zwischen den Generationen.
Ihre Shows haben immer eine Botschaft. Gibt es immer schon ein klar definiertes Thema oder konzentrieren Sie sich mehr erst auf den komödiantischen Effekt von einzelnen Szenen und fügen dann das Ganze zu einer neuen Show zusammen?
Am Anfang steht eine Idee, zu der dann Figuren gesucht werden. Aus diesen Figuren entstehen dann kleine Improvisationen. Wenn die Bestand haben, werden die Figuren in Masken umgesetzt. Und dann gehen wir eigentlich erst in die Produktion des Stückes mit dem, was da ist.
Ihre Figuren haben eigentlich nie Erfolg haben. Gibt es dafür einen Grund?
Ich sag mal: wir haben eine Obsession zum Scheitern der Figuren, weil wir uns stärker durch das Scheitern erfahren als durch das Siegen. Dinge, die laufen, sind einfach weniger interessant als das, was uns zum Kämpfen bringt und letztendlich dann auch zum Scheitern.
Warum kann sich das Publikum mit den Figuren so gut identifizieren – nicht nur in Deutschland, sondern auch im Ausland?
Unsere Arbeit beruht auf der Bereitschaft des Publikums, sich mit seiner Fantasie und seinem Sinn für Humor auf die Aufführung einzulassen, die in einer unausgesprochenen, aber dennoch universell verständlichen Sprache stattfindet. Zum einen können die Zuschauer eigene Erfahrungen in die Masken projizieren und damit zum Leben erwecken. Zum anderen stellen wir universelle Situationen dar, die jeder Mensch tagtäglich erlebt und kennt. Und das weltweit.
Weltweit hat auch die Pandemie uns alle beeinträchtigt. Wie haben Sie diese Zeit überstanden und eventuell kreativ genutzt?
Natürlich dachten wir, wir wären krisensicher. Wir haben Kontakte in über vierzig Länder weltweit. Und plötzlich ging wirklich gar nichts mehr. Wir hatten das Glück, dass wir vor Corona zwei Produktionen geplant hatten, die wir dann sofort, als die Spielstätten wieder öffneten, zur Premiere bringen konnten. Mit allen Soforthilfen, Überbrückungshilfen und verschiedenen Förderprogrammen in der Kunst haben wir die Zeit überstanden. Aber die Spätfolgen von Corona sind in der Kultur noch sehr stark zu spüren. Es ist einfach weniger geworden als vor Corona.
Umso schöner, dass wir Sie jetzt wieder beim Schleswig-Holstein Musikfestival erleben können.
25. -29. August, je 19.30 Uhr
Schauspielhaus Kiel
Karten unter 0431 23 70 70
25.-27. August, täglich 10 bis 15 Uhr
Workshop „Masken in der Theaterpraxis“ im musiculum Kiel
Teilnahmegebühren: € 150,- pro Person (ohne Unterkunft und Verpflegung)
Infos: campus@shmf.de