Der Klangfetischist – Felix Klieser ist der Hornist ohne Arme

Der Göttinger Hornist Felix Klieser erhält den Leonard Bernstein Award 2016

Der junge Hornist Felix Klieser ist ein Ausnahmetalent. Nicht allein, dass er mit seinen 25 Jahren bereits zu den besten Hornisten der Welt gehört. Er beherrscht sein Instrument trotz seines Handicaps – Felix Klieser ist ohne Arme geboren und spielt Horn mit den Füßen – perfekt.

Bereits als Fünfjähriger erhielt er Hornunterricht, nachdem er seine Eltern von seiner festen Absicht überzeugte, dieses Instrument zu lernen. Felix Klieser erweist sich als hochtalentiert – mit 17 wurde er Jungstudent an der Hochschule für Musik und Theater in Hannover, war Bundespreisträger im Wettbewerb „Jugend musiziert“ und wurde 2014 mit dem Echo Klassik als bester Nachwuchskünstler ausgezeichnet. Am 14. Juli erhält er im Rahmen des SHMF den Leonard Bernstein Award 2016. Andreas Guballa hat mit dem Hornisten gesprochen.

Herr Klieser, andere Jungs träumen davon, später einmal Fußballer zu werden – für den kleinen Felix stand schon als Vierjähriger fest, dass er unbedingt Horn spielen wollte. Was fasziniert Sie bis heute an diesem Instrument?

Das Horn ist im Vergleich zu anderen Instrumenten kein Virtuoseninstrument, bei dem es auf Technik ankommt oder auf dem man halsbrecherische Dinge spielen muss, sondern ein sehr klangliches und sehr emotionales Instrument. Auch wenn man sich anschaut, wie das Horn im Orchester eingesetzt wird, erzeugt es immer irgendeine Form von Stimmung. Mit Klangfarben, Emotionen und Stimmungen zu arbeiten, macht mir am meisten Spaß daran.

Mittlerweile haben Sie ein beeindruckende Künstlerkarriere hingelegt: jüngster Hornspieler aller Zeiten an der Musikhochschule Göttingen, Live-Award-Preisträger, Bundessieger bei Jugend Musiziert, ECHO Klassik als Nachwuchskünstler 2014. Haben Sie damit schon erreicht, was Sie sich als kleiner Junge mal erträumt haben und wie wollen Sie das noch toppen?

Ich spiele Horn ja nicht, damit ich bestimmte Dinge erreiche oder bestimmte Preise bekomme – wie ein Sportler. Es macht mir einfach Spaß, Horn zu spielen und Konzerte zu geben. Das ist für mich das Wichtigste.

Als Wunderkind mögen Sie nicht bezeichnet werden. Würden Sie sich ehrgeizig nennen?

Ich bin niemand, der in jungen Jahren alles konnte und allen davon gesegelt ist. Auch im Bundesjugendorchester gab es Leute, die talentierter waren als ich. Aber ich war sehr ehrgeizig und sehr diszipliniert. Das Wichtigste ist, dass man bereit ist, viel dafür zu geben, Freizeit zu opfern und sich stark auf das Instrument zu focussieren. Das ist ein großes Geduldsspiel.

Was macht das Horn zu so einem gefürchteten Instrument?

Es ist ein verhältnismäßig unsicheres Instrument. Man kann relativ leicht Kicksen. Das hat etwas mit der Länge des Instruments zu tun und mit der Obertonreihenschichtung. Das bedeutet, die Naturtöne liegen relativ dicht beieinander. Aber das gehört einfach zum Instrument dazu. Wenn man das beim Konzert gelassen angeht, funktioniert es auch.

Die Kritiker schwärmen immer wieder von dem Zauber, den Sie Ihrem Blech zu entlocken wissen. Wie gehen Sie mit soviel Lob um?

Es freut mich, wenn es den Leuten gefällt. Für mich ist es wichtig, das Publikum für das Instrument zu begeistern, da das Horn ja relativ selten als Solo-Instrument wahrgenommen wird.

Stets steht in den Kritiken die Musikalität im Zentrum. Sie werden auch gern als „Klangfetischist“ bezeichnet. Warum ist Ihnen das so wichtig?

Ich bin davon überzeugt, dass Musik erst dann spannend ist, wenn wir in der Lage sind, mit Klang und Emotionen zu arbeiten. Töne spielen kann jeder! Aber wie ich einen Ton forme und gestalte, das ist das Ausschlaggebende. Ein Forte bei Mahler ist ein ganz anderes Forte als bei Mozart. Ein guter Musiker ist ein Mensch, der Emotionen zwischen den Zeilen ausdrücken kann. Daher spielt der Klang eine wichtige Rolle für mich.

Sie sind ohne Arme auf die Welt gekommen. Welche Herausforderungen bringt das beim Umgang mit dem Horn mit sich?

Das Horn steht auf einem Stativ und wird dadurch festgehalten. Fürs Stopfen [eine Technik, bei der durch Einführen der Hand (oder eines Gegenstandes) in den Schalltrichter die Tonhöhe verändert oder/und dem Ton eine dumpfere oder metallischere Klangfarbe gegeben wird; Anm. d.R.] gibt es ein zweites Stativ, um den Dämpfer in den Schalltrichter hinein- und herauszuschieben. Beim Horn spielen an sich gibt es keine Unterschiede.

Haben Sie wegen Ihres Handicaps schon mal komische Reaktionen im Publikum erhalten?

Ich gehe davon aus, dass die Leute wissen, für welchen Interpreten sie eine Karte kaufen.

In diesem Jahr bekommen Sie den Leonard Bernstein Award. Wie wichtig ist Ihnen dieser Preis?

Wenn man sich die Liste der Preisträger anguckt, ist es eine sehr große Ehre und Anerkennung für meine Arbeit. Ich freue mich sehr auf das Preisträgerkonzert mit Michael Sanderling und dem Schleswig-Holstein Musikfestival Orchester.

Warum haben Sie für das Preisträgerkonzert Haydns zweites Hornkonzert ausgewählt?

Das Interessante bei Haydn ist, dass er sich sehr auf die Fähigkeiten des damals vorhandenen Naturhorns beschränkt und dementsprechend komponiert hat. Er hat viele gerade Naturtöne benutzt. Mozart hat im Gegensatz dazu einfach drauflos komponiert und der Hornist musste zusehen, wie er das spielen konnte. Ich finde das zweite Hornkonzert von Haydnsehr schön, weil es sehr frisch ist sowie einen ausdrucksstarken und rührenden zweiten Satz hat. Der dritte Satz ist unglaublich feurig. Das Stück zeigt alles, was ein Horn so kann und was in ihm drin steckt.

Im Sommer 2014 ist Ihre Autobiografie „Fußnoten“ erschienen. Ziemlich früh für einen 23 Jährigen. Was ist Ihre Botschaft darin?

Die Idee zur Biografie stammt nicht von mir, sondern der Verlag hat mich angesprochen, ob ich Lust hätte so etwas zu machen. Es geht viel darum, wie das Leben eines Musikers funktioniert, und um die Besonderheiten des Instruments. Es war eine nette Abwechslung zwischen dem, was man sonst so macht, und hatte keinen besonderen Grund.

Gibt es etwas, das Sie als ehemaliger „Nachwuchskünstler des Jahres“ jungen Menschen mit auf den Weg geben wollen, die von der großen Klassikkarriere träumen?

Es ist schwer, eine Karriere zu planen. Man braucht viel Geduld und Ruhe. Die Dinge funktionieren nie so, wie man es sich vorstellt, sondern es kommt immer ganz anders. Man muss beharrlich sein, diszipliniert an sich arbeiten, üben und eine große Portion Geduld mitbringen.

Wohin geht Ihre musikalische Reise? Und worauf freuen Sie sich besonders?

Die nächsten Jahren sind sehr gut gefüllt. In diesem Jahr mit Rezital- und Kammermusikkonzerten, in der nächsten Saison gibt es fast nur Orchesterkonzerte. Es wird nie langweilig. Ich lasse mich einfach überraschen, was auf mich zukommt.

Der Leonard Bernstein Award 2016 wird Felix Klieser im Rahmen des Preisträgerkonzertes am Donnerstag, 14. Juli in der Musik- und Kongresshalle in Lübeck verliehen.

 

Programm:

Joseph Haydn: Hornkonzert D-Dur Hob. VIId:4

Johannes Brahms: Haydn-Variationen op. 56a und Sinfonie Nr. 1 c-Moll op. 68

• Felix Klieser Horn

• Schleswig-Holstein Festival Orchester

• Michael Sanderling Dirigent