Martin Wind: Zurück zu den Wurzeln / Vom Fjord zum Hudson

Der Jazz-Bassist Martin Wind ist auf Stippvisite in seiner Schleswig-Holsteinischen Heimat und spielt mit dem Sinfonieorchester ein Crossover-Programm

Der Bassist Martin Wind ist ein Kosmopolit und international gefragter Jazz-Musiker. Dabei ist er ein waschechtes Nordlicht, 1969 geboren an der Flensburger Förde. Bereits mit 20 Jahren machte der heute 48jährige Instrumentalist und Komponist als Gründungsmitglied des Bundesjazzorchesters unter Peter Herbolzheimer auf sich aufmerksam. Wind zog es 1996 gen New York – mit einem DAAD-Stipendium im Gepäck. Dort lebt er bis heute mit seiner amerikanischen Frau und seinen zwei Söhnen. Als erster Jazzmusiker überhaupt wurde Wind im Jahre 2000 mit dem Kulturpreis Schleswig-Holsteins ausgezeichnet.

Viele Jahre zählte er zu den musizierenden Stammgästen der JazzBaltica in Salzau. Bei diversen Festivalausgaben verkörperte er eine deutsch-amerikanische Brücke, ein Bindeglied zwischen der hiesigen Szene und der des Big Apple, wo er längst zu einer etablierten Größe gereift ist. Zur Zeit probt er mit dem Schleswig-Holsteinischen Sinfonieorchester für ein Crossover-Konzert in seiner alten Heimat. Andreas Guballa hat mit dem Kontrabassisten gesprochen.

Wie sind Sie mit dem Jazz-Virus infiziert worden?

Ich fing relativ spät mit der Musik an. Mit 15 begann ich E-Bass, mit 17 Kontrabass zu spielen. Und dann war es auch um mich geschehen. Ich habe innerhalb von Monaten riesige Fortschritte gemacht und wollte nur noch Musik spielen. Mein damaliges Vorbild war der dänischer Jazz-Kontrabassist Niels-Henning Ørsted Pedersen. Seine Duo-Aufnahme „The Viking“ mit dem Gitarristen Philip Catherine war meine erste Jazzplatte. Die ersten Jazzer, die ich live in Flensburg gehört habe, waren Mads Vinding mit der dänischen Radio Bigband und Lucas Lindholm mit Wolfgang Schlüter in der Aula des Alten Gymnasiums, das in diesem Jahr übrigens sein 450. Jubiläum feiert. Aus diesem Anlass werde ich dort mit meinem Quartett aus den USA am 16. Juli spielen.

Zur Zeit proben Sie mit dem Schleswig-Holsteinischen Sinfonieorchester in Ihrer alten Heimat Flensburg und bereiten das 8. Sinfoniekonzert vor. Was kommt da auf uns zu?

Das wird eine ganz spannende Sache. Zusammen mit meinem Quartett spielen wir eine Hommage an Bill Evans mit Arrangements seiner Stücke wie „Blue And Green“ oder „Turn Out The Stars“ – unser Debüt in großen Orchestralkompositionen. Außerdem habe ich eine Auftragskomposition für Orchester und Jazz-Quartett geschrieben, das ich nun mit meinem „Hausorchester“ spielen darf. Das ist schon ein Traum, der für mich in Erfüllung geht. Mein ersten Basslehrer hat in diesem Orchester gespielt und ich habe als Jugendlicher das Orchester im Deutschen Haus oft erlebt.

Was darf das Publikum musikalisch erwarten?

Die Suite heißt „From the Flensburg Fjord to the Hudson River“ und beleuchtet die vier wichtigsten Stationen in meinem Leben. In den vier Sätzen kommt jeder der Quartettmitglieder als Solist zum Einsatz. Es geht am Fjord los, was ich natürlich übernehme, dann geht’s zum Marinemusikkorps, bei dem ich zwei Jahre gewirkt habe; das ist dem Schlagzeuger gewidmet. Das nächste heißt „Cologne“, wo ich klassische Musik studiert habe. Und am „Hudson“ kann Scott Robinson am Saxofon noch einmal so richtig loslegen.

Das typisch deutsch Schubladen-Denken in der Musik scheint für Sie kein Thema zu sein. Sie haben in Köln sieben Jahre lang klassische Musik, an der New York University Jazz und Komposition studiert.

Ich habe mit dem Schleswig-Holstein Musik Festival Orchester Mahler-Sinfonien und mit Pat Metheny Jazz gespielt. In diesem Grenzbereich fühle ich mich wohl. Durch das Klassikstudium habe ich Bogenspiel, Blattspiel und Klangkultur perfektioniert und bin so viel vielseitiger einsetzbar. Meiner Meinung nach ist der klassische Ansatz der einzige Weg, ein Streichinstrument richtig zu erlernen. Für mich existiert die Grenze zwischen U- und E-Musik nicht. Es gibt nur gute und schlechte Musik. Ich habe aber das Gefühl, dass sich dieses Denken in Deutschland auch langsam auflöst und sich Orchester und Klassikfestivals solchen neuen Projekten öffnen, um neue Zielgruppen zu erreichen.

Ist das Leben als Jazz-Musiker in den Staaten einfacher als in Deutschland?

In diesem Sommer sind es 20 Jahre, dass ich in die USA gezogen bin. Ursprünglich wollte ich dort nur mit einem DAAD Stipendium studieren mit der Einstellung „Was immer passiert, passiert“. Ich bin nicht davon ausgegangen, dass ich zwei Jahrzehnte später dort noch leben würde und fast erwachsene Kinder habe. Ich glaube, das war die richtige Entscheidung. Ich wollte einfach dorthin gehen, wo der Jazz zuhause ist. Auch wenn heute zum Beispiel in Berlin eine unglaublich lebendige Szene existiert, gibt es für mich einfach keinen besseren Ort. Es gibt viel Arbeit für Musiker, aber auch viel Konkurrenz – daher kann ich nicht sagen, ob es einfacher ist. Aber für mich hat es perfekt funktioniert.

Sie waren in diesem Jahr das erste Mal wieder zu Gast bei der JazzBaltica an neuer Spielstätte. Wie hat es Ihnen gefallen?

Es hat sich wieder toll angefühlt. Es scheint, dass das Publikum mit an die Ostsee gezogen ist. Diese tolle Energie hatte ich auch noch aus Salzau in Erinnerung.

Termine:

Martin Wind & Band

• 9. Juli, 20 Uhr: Theodor-Schäfer-Berufsbildungswerk Husum

• 16. Juli, 19.30 Uhr: Altes Gymnasium Flensburg

Martin Wind & SH Sinfonieorchester

• 12. Juli, 19.30 Uhr: A.P. Møller Skolen Schleswig

• 13. Juli, 19.30 Uhr: Deutsches Haus Flensburg

18.45 Uhr: Werkeinführung

• 15. Juli, 19.30 Uhr: Stadttheater Rendsburg

18.45 Uhr: Werkeinführung

Zur Person:

Der Bassist und Komponist Martin Wind lebt seit mittlerweile 20 Jahren in den USA und hat sich als vielbeschäftigter Sideman, Session Musiker und Dozent an der New York University etabliert.

Nach Vollendung seines Klassikstudiums an der Musikhochschule in Köln ging Martin Wind mit Hilfe eines DAAD Stipendiums 1996 nach New York. Im folgenden Monat gewann er mit seinem Trio “Dreiklang” den ersten Cognac Hennessy/Blue Note Jazz Search und saß daraufhin wenige Wochen später im Büro des legendären Blue Note Chefs Bruce Lundvall, um eine Produktion für das Label zu besprechen. Im Jahr 2000 erhielt er als erster Jazzmusiker den Kulturpreis des Landes Schleswig–Holstein und wurde 2004 von seiner Heimatstadt zum “Flensburg Botschafter” ernannt.

Martin Wind wirkte inzwischen bei über 80 CD Aufnahmen und Movie Soundtracks mit und spielte u.a.mit Mstislav Rostropowitsch, Guidon Kremer, Christa Ludwig, Pat Metheny, Benny Golson, Lalo Schifrin, Buddy DeFranco, Cedar Walton, Phil Woods, Bobby Hutcherson, Slide Hampton, Clark Terry, Mike Stern, Michael and Randy Brecker, Hank Jones, Marian McPartland, Joe Lovano, John Scofield, und Johnny Griffin. Er leitet sein eigenes Quartett mit Scott Robinson, Bill Cunliffe und Tim Horner.