Spiel des Jahres 2015: Der Oscar der Gesellschaftsspiele

Die Leute wollen beim Spielen ins Gespräch kommen.“

Das Spielen mit Freunden oder Familie ist immer noch eine der schönsten Freizeitbeschäftigungen. Gerade wurde das „Kinderspiel des Jahres“ gekürt. Auch die Kandidaten für den Kritikerpreis „Spiel des Jahres 2015“ stehen schon fest. Aus den rund 300 Spiele-Erfindungen, die jährlich neu auf den deutschen Markt kommen, hat eine Fach-Jury „Colt Express“, „Machi Koro“ und „The Game“ für den weltweit wichtigsten Preis für Gesellschaftsspiele nominiert. Zusammen mit dem Kennerspiel des Jahres 2015 wird der Sieger am Montag, 06. Juli 2015, in Berlin bekannt gegeben. Wir stellen die Nominierten vor.

Sie werden seit Generationen über den Spielplan gejagt, hinaus geworfen, sicher ins Ziel gebracht: Die bunten Spielfiguren von „Mensch ärgere dich nicht“ gehören wohl zur kollektiven Kindheitserinnerung der Deutschen. Was lag da näher, dass eben diese Männchen Pate standen für „Spinderella“, dem Kinderspiel des Jahres 2015. „Spinderella ist ein dreidimensionales Brettspiel für zwei bis vier Spieler ab sechs Jahren“, weiß Hauke Beeck aus Meldorf vom Fachgeschäft „Wein und Spiele“. Das Besondere ist: man spielt auf zwei Ebenen. Ein Spielplan im Spielkarton zeigt einen Waldboden und den muss man mit drei Ameisen-Figuren durchqueren und die möglichst schnell ins Ziel bringen. „Das ist aber gar nicht so einfach, denn zehn Zentimeter über dem Waldboden lauern auf einer zweiten Ebene drei magnetische Spinnen in einem Spinnennetz. Und eine dieser Spinnen, Spinderella, kann sich an einer Schnur auf den Waldboden abseilen und mit dem Magnet eine Ameise einfangen.“ Nur wer im Laufe der Partie Glück beim Würfeln hat und die Spielzüge clever plant, kann seine drei Ameisen ins Ziel bringen und gewinnen. „Spinderella ist eine packende Spielidee, unheimlich originell mit tollem Spiel-Material. Und die Mischung aus Würfelglück mit taktischen Überlegungen sorgen auch bei den mitspielenden Erwachsenen für richtig viel Spannung. Das hat die Jury überzeugt“ vermutet Beeck.

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Hauke Beeck kennt die nominierten Spiele des Jahres

Seit die „Siedlern von Catan“ 1995 das Spielen in Deutschland wieder richtig populär gemacht haben, sind stetig mehr variable Spiele auf den Markt gekommen. „Der wiederkehrende, aber immer neu gestaltete Ablauf macht Brettspiele so interessant“, sagt Beeck. Beliebt seien Strategiespiele, die einen einfachen Zugang haben, mit wenigen Erklärungen auskommen und trotzdem Abwechslung bieten, so der Meldorfer. Das zeichne auch die drei Nominierten für den Spiele-Oscar aus. „Bei „Colt Express“ sind die Spieler Banditen im Wilden Westen und überfallen eine Eisenbahn, die in diesem Spiel aus Pappteilen zu einem echten dreidimensionalen Zug mit Lok und sechs Waggons zusammen gesteckt wird. Per Karten bewegen sich die Spieler auf dem Dach oder durch die Abteile, klauen den Passagieren ihre Wertsachen oder greifen sich gegenseitig an. Wer am Ende die meisten Wertsachen geklaut hat, gewinnt“ erklärt Beeck.

Würfeln, kassieren, investieren – darum geht es bei „Machi Koro“. Ziel der zwei bis vier Stadtplaner ab acht Jahren ist die Realisierung von urbanen Großprojekten. Welche Investitionen auf dem Weg dorthin am lukrativsten sind, entscheiden die Würfel. „Die Spieler treffen quasi an jeder Straßenecke Entscheidungen mit politischer und wirtschaftlicher Tragweite. Egal ob Industrie, Restaurants oder Landwirtschaft – die Zahl der strategischen Möglichkeiten ist groß und reicht von friedlich bis rabiat. Da ist für jeden Charakter etwas dabei,“ weiß Hauke Beeck.

Kooperation ist hingegen beim Patience-artigen „The Game“ gefragt. Auf vier Ablagestapel müssen die Spieler gemeinsam gegen die Mechanik des Spiels versuchen ihre Karten mit Werten von 2 bis 99 passend abzulegen. „Je besser zusammengearbeitet wird, desto weniger Karten bleiben am Schluss übrig“ weiß Hauke Beeck, den die Nominierung überrascht hat, da das Prinzip stark an das Spiel des Jahres 2013 „Hanabi“ erinnert. „Alle Spiele zeichnet generell aus, dass sie sehr familientauglich sind, ab acht bis zehn Jahren spielbar sind und eine relative kurze Anleitung und Spieldauer von etwa 30 Minuten haben.“

Welche Gesellschaftsspiele das Rennen machen, entscheidet sich erst mit der Verkündung der Preisträger am 6. Juli in Berlin. „Der Preis bietet Kunden und auch Händlern Orientierung auf einem unübersichtlichen Markt“, sagt Beeck. Von einem ausgezeichneten Spiel lassen sich mindestens zehnmal mehr Exemplare verkaufen als von einem erfolgreichen Produkt ohne das Siegel auf der Packung. „Aber bei mehreren hundert Neuerscheinungen im Jahr würden viele schöne Spielideen gar nicht beim Kunden ankommen, wenn nicht der Fachhandel mit individuellen Erklärungen Spielkonzepte mit persönlichen Vorlieben in Einklang bringt.“

Ein scheinbarer Konkurrent des Brettspiels macht dagegen eine andere Entwicklung durch. Der (deutlich höhere) Umsatz im Bereich der Computer- und Videospiele sinkt seit einiger Zeit. Der große Angstgegner der Brettspielverlage ist die digitale Welt aber ohnehin nicht. Beeck sieht im klassischen PC-Spiel überhaupt keine Konkurrenz. „Das spielt man alleine. Wer Leute treffen will beim Spielen, muss an den Tisch.“ Diese Möglichkeit bietet Beeck allen spielebegeisterten Dithmarschern jeden zweiten Freitag eines Monats ab 19 Uhr in der Kulturkneipe Bornholdt in Meldorf. „Einfach vorbeikommen und mitspielen“ ermutigt der Spielefachverkäufer.